Chip - Die tragische Geschichte eines kleinen Eichhörnchens

Hier möchte ich euch meine Erlebnisse mit diesem süßen Eichhörnchen-Baby erzählen, die mir in den letzten Tagen passiert sind. Eine Berg- und Talfahrt der Gefühle, welche in einem tragischen Happy-End endet.

 

Am Sonntag Morgen, gegen 10 Uhr, sitze ich mit meiner Frau einen Kaffee genießend auf der Terrasse, nicht ahnend wie die nächsten Tage verlaufen werden. Sonnenstrahlen blitzen durch die Kirschbaumäste und die Welt scheint in Ordnung.

Doch dann geschieht etwas für mich nicht mögliches...

Ein kleines Eichhörnchen läuft durch unseren Garten, stürmt auf die Terrasse und springt direkt an meinem Bein hoch. Erschrocken und erfreut ist meine erste Reaktion ... Handy zücken. Auf die Schnelle ein paar Bilder machen. Ein Selfie mit dem Kleinen bei Facebook posten. In der Angst diese einmalige Situation wäre schneller vorbei als sie begonnen hat. 

 

Irgendwann kurze Zeit später setzte der Verstand wieder ein. Das Eichhörnchenbaby hatte sich unseren Wein als Kletterobjekt erkoren. Das gab Zeit zur Recherche. Erste Hinweise bei Facebook verwiesen auf eine Website: eichhoernchen-notruf.com 
Dort erwarb ich in kürzester Zeit die Erkenntnis, dass der Kleine mich nicht zwangsweise sympathisch fand, sondern eines dringend brauchte - HILFE.

Wenn ein Eichhörnchen die Nähe von Menschen sucht, dann ist es dringend hilfebedürftig. Es könnte krank, verletzt oder einfach nur unterversorgt sein. Auf der Hilfeseite gibt es erste Tipps dazu, wie man ganz schnell helfen kann. Trinken und Fressen stehen ganz oben auf der Liste, wenn keine anderen körperlichen Missstände vorliegen. Und wenn man gar nicht mit der Situation klar kommt, bitte sofort den Notdienst anrufen!

So toll wir den Anblick auch fanden und die entstandenen Bilder für mich einmalig bleiben werden, so mußten erste Maßnahmen ergriffen werden.  Einem glücklichen Zufall gedankt, hatte ich ein paar Tage vorher ein Foto eines anderen Eichhörnchens auf meiner Facebook-Seite gepostet, worauf hin eine nette Frau Nüsse anbot. Diese hatte ich am Samstag abgeholt, ohne zu wissen, dass ich sie kurze Zeit später benötigen würde. Schicksal?

 

Mit Wal- und Haselnuss, Kirsche und Apfel wurde Chip gefüttert und erste Versuche gestartet, ihn mit einer kleinen Spritze mit abgekochtem Wasser, welches mit ein wenig Honig und Salz versetzt wurde, mit Flüssigkeit zu versorgen.

 

So nahm der Sonntag seinen Lauf und wir entschieden, mit Hilfe des Eichhörnchen-Notdienst, den Kleinen vorerst bei uns aufzunehmen.

So hat Chip die erste Nacht bei uns im Haus in einer Hasen-Transportbox verbracht. nach anfänglicher Gegenwehr, hat er aber ganz ruhig in einem alten Waschlappen geschlafen. Diese Idee meiner Frau war goldrichtig. Darin hat er viel Zeit verbracht, denn mit seinen wahrscheinlich erst 6 Wochen brauchte er viel Schlaf, den er darin fand. Oder auch in meinem Hoodie, nah an meinem Körper.

Der Montag morgen hat mit fressen und schlafen begonnen. Und der erste Erfolg beim trinken stellte sich auch ein. Das Wetter erlaubte es den Kaffee wieder auf der Terrasse zu genießen. Abwechseln kümmerten sich meine Frau und ich und um Chip, damit jeder seinen Morgen beginnen konnte. Wir hatten ja auch Hoffnung, da sich in unserem Garten immer wieder Eichhörnchen aufhielten, nicht zuletzt, weil meine liebe Frau sie gerne mit Nüssen über den Winter füttert, dass evtl. doch die Mutter auftaucht und den kleinen Mann wieder holt. Sie war nicht groß, aber sie war da. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich am Schluss.

Auf unserer Kirsche, die direkt vor der Terrasse steht, tauchte ein erwachsenes Eichhörnchen auf. Nicht unbedingt ungewöhnlich, da sie gerne Kirschen fressen. Doch in dieser Situation, die doch herbeigesehnt, unglaublich. Einige Minuten saß es auf dem Baum und beobachtete uns, die wir dort saßen und uns mit dem kleinen Chip beschäftigten. Ich hatte einen Moment gezögert, doch dann den Mut gefasst und die Erkenntnis gewonnen, es konnte sich nur um die Mutter handeln. So nahm ich das Baby und setzte es an den Kirschbaum, wußte ich doch, dass es schon richtig gut klettern kann. Und das tat es auch, hoch hinaus in den Baum und es gab erste Näherungen zu dem Muttertier. Nach wenigen Augenblicken kamen beide vom Baum herunter, wir hatten uns ein wenig entfernt, setzten sich auf der Terrasse und Chip sprang an der Mutter herum. Im nächsten Moment nahm sie das Kleine ins Maul und verschwand über Stock und Stein. Wir konnten so schnell kaum verfolgen wohin, geschweige denn irgendeine Aufnahme machen.

Wir waren in diesem Moment glücklich berührt, hatte unsere kleine Episode mit Chip, dem Eichhörnchenbaby, doch ein mutmaßlich glückliches Ende gefunden. Mutmaßlich!

Nachdem eine Träne verdrückt und wir uns einig waren, dass es so am besten ist, folgten wir wieder unseren geplanten Tätigkeiten. Kurzfristig waren diese in Vergessenheit geraten.

 

Bis hierhin wäre es eine ganz kurze Episode in unserem Leben gewesen, die zwar nie in Vergessenheit geraten wäre, doch halt eine ganz Kurze. Vielleicht hätte ich sie dann auch nicht für erzählenswert gehalten. Vielleicht.

 

So war die Geschichte aber noch nicht zu Ende...


circle of life

 

Wie das Schicksal es wollte, nahm meine kleine Geschichte einen tragischen Verlauf. Gegen 14 Uhr am Montag, aus dem Badezimmer heraus, sah meine Frau einen großen Vogel auf der gegenüberliegenden Wiese. Wie so oft frug sie mich, ob das nicht was zum fotografieren wäre. Ich schnappte mir Kamera samt Teleobjektiv und musste leider schreckliches miterleben. Nein, nicht wirklich schrecklich, denn das ist das Leben. Aber in unserer Situation konnte man es als schrecklich empfinden. Dieser Greifvogel hatte ein Eichhörnchen gerissen. Farbe und Größe entsprachen vielleicht denen der Mutter von Chip. Vielleicht. Wir wissen es bis heute nicht, mussten aber das Schlimmste annehmen. Macht man sich dann Vorwürfe...nein, wir hatten alles richtig gemacht. Trotzdem bleibt ein mulmiges Gefühl...


Am Montag Abend bekamen wir Besuch von meinem Bruder. Wir erzählten unsere kleine und doch unglaubliche Geschichte, samt tragischem Ende. Dann, gegen 18 Uhr, vernahmen wir ein rascheln im Gebüsch, welches wir aber einer Maus zuordneten.

Falsch. Ganz Falsch.

Ohne es erahnen zu können stand der kleine Chip vor mir. Und wie selbstverständlich kletterte er an mir hoch. Schnellstens herbeigeholte Nüsschen wurden verschlungen. Da hatte wohl jemand sehr großen Hunger. Aber damit wurde unsere Befürchtung genährt, dass der Zwischenfall vom Mittag doch der ungewollte war...

Und so waren wir wieder Eichhörnchen-Eltern.

 

Man kann gar nicht beschreiben, was für Gefühle einen gefangen nehmen. Freude war es nicht...bei dem Schicksal konnten und wollten wir uns nicht freuen. Durften es nicht. Und doch war sie da. Zumindest darüber, dass Chip wieder zu uns gefunden hatte und nicht einem ungewissen Schicksal entgegen sah. Wir konnten und wollten helfen. Wie schon am Tag zuvor. Und so verbrachte Chip die zweite Nacht in seinem Waschlappen.

Der Dienstag fing damit an, dass man sich Gedanken macht, wie es mit Chip weiter gehen soll. Wir waren willens den Kleinen selber groß zu ziehen. Aber war das für Chip das Richtige? 
Auf einer Facebook-Seite, auf der ich ein Foto von Chip gepostet hatte, bekam ich den Hinweis auf Annette Paulsen aus Bottrop, die sich um Findelkinder kümmert. Im speziellen auch um Eichhörnchen. Diese kontaktierte ich, um mir weiteren Rat zu holen. Sie brachte ein Argument, ein wirklich überzeugendes, welches uns dann dazu brachte, den kleinen Chip doch weg zu geben. Wir hätten den Kleinen bestimmt aufgepäppelt bekommen, doch der richtige soziale Kontakt waren wir nicht. Es ist viel besser, wenn Chip unter Eichhörnchen aufwächst, was wir definitiv nicht sind. 

Und so sind wir gestern 130 km ins Ruhrgebiet gefahren, um den kleinen Mann zu Annette zu bringen. Wir haben uns vor Ort davon überzeigen können, dass er es dort sehr gut haben wird.

Auch hier hatte ich wieder eine Träne im Auge. Der zweite Abschied in so kurzer Zeit. Doch das Wohlergehen von Chip stand an erster Stelle. Wir, und da schließe ich meine Frau und meine beiden Kinder mit ein, wünschen uns nichts lieber, als dass der kleine Chip eine Chance hat. Eine Chance auf ein glückliches Eichhörnchenleben. 

 

Mach es gut Chip ... und halt die Ohren steif.

Bist ein tapferer kleiner Kerl.

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Kommentare: 6
  • #1

    Smudi (Mittwoch, 13 Juli 2016 11:14)

    Du hast alles goldrichtig gemacht !!! <3
    Alles Gute nun Chip !

  • #2

    Silvia (Mittwoch, 13 Juli 2016 16:06)

    Respekt. Gute Entscheidung, wenn es auch hart ist. Trotzdem toller Bericht. DANKE.

  • #3

    Maik (Mittwoch, 13 Juli 2016 23:16)

    Schöne Geschichte und ich hoffe das es ihm da gut geht, hab noch nie gesehen, das ein Eichhörnchen einem Menschen nahkommt.

  • #4

    Artur Fischer-Meny (Donnerstag, 14 Juli 2016 13:27)

    Was für eine tragischschöne Geschichte, mit so viel Empathie erzählt, dass ich hier sitze und ein Tränchen wegdrücke. Es ist schade für das Muttihorn, aber dank Eures Einsatzes so ein tolles Ding für Chip, dass man ihm wünschen möchte, ein langes und gesundes und fröhliches Hornleben zu haben, das er ganz sicher Euch verdankt, wofür ich einfach mal selber Danke sagen will.

  • #5

    Tine Meier (Donnerstag, 08 Dezember 2016 16:08)

    Ich bin tief berührt von dieser Geschichte! Ihr habt alles richtig gemacht!

  • #6

    Enrico (Dienstag, 24 Januar 2017 18:01)

    Echt cool diese Geschichte ♥️♥️♥️♥️